„Auch die Damen sollen zu allen Veranstaltungen eingeladen werden“

Der Koblenzer Eifelverein im Kaiserreich (1889-1914)

Von Wolfgang Schmid

Coblenzer Wanderverein 1934

Coblenzer Wanderverein 1934

„Damen“ wurden im Koblenzer Eifelverein immer schon mitgenommen, außer bei den „Herrenwanderungen.“ Der Vorstand bestand jedoch ausschließlich aus „Herren“, obwohl auf der Trierer Hauptversammlung 1913 auch die Mitarbeit von Damen in diesen Gremien gefordert worden war. Kurz vor der Feier seines 25. Gründungsjubiläums fasste der Vorstand der Ortsgruppe Koblenz am 20. Mai 1914 den Beschluss: „Auch die Damen sollen zu allen Veranstaltungen eingeladen werden.“ Außerdem wurde der Vorsitzende beauftragt, für die Jubiläumsfeier eine Darstellung der Vereinsgeschichte zu verfassen.

Dieser kurze Artikel von Otto Follmann in der Mitgliederzeitschrift von 1914 ist eine wichtige Quelle zur Geschichte der Ortsgruppe, denn die Quellenlage für die ersten 25 Jahre ist dürftig: Das „Eifelvereinsblatt“ erscheint erst seit 1900, und das Protokollbuch der Ortsgruppe setzt erst 1913 ein. Gedruckte Mitgliederverzeichnisse sind eine wichtige Quelle nicht nur zur Größe, sondern auch zur Zusammensetzung der Ortsgruppe.

Drei Eckdaten sind hervorzuheben: Im Gründungsjahr 1889 war gerade erst der junge Wilhelm II. auf den Kaiserthron gelangt, und im Jahre 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. 1897 wurde am Deutschen Eck ein monumentales Reiterstandbild für Kaiser Wilhelm I. errichtet. Dies sind drei Ereignisse, die für das florierende Oberzentrum, die Garnisons- und Behördenstadt am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, große Bedeutung besaßen. Koblenz hatte seine Bevölkerung im 19. Jahrhundert fast verfünffacht, im Jahre 1900 zählte man 45.000 Einwohner, darunter 10.000 Protestanten.

I.         Wann wurde der Koblenzer Eifelverein gegründet?

Follmann berichtet, er habe im Winter 1888/89 etwa 30 „Herren“ zur Gründung einer Ortsgruppe geworben. Aus nicht näher bekannten Gründen musste die konstituierende Sitzung mehrfach verschoben werden und kam nicht zustande. Im Frühjahr 1889 hatte man sogar schon 120 Mitglieder gewonnen, als dann am 17. Mai die Ortsgruppe gegründet wurde. Bei der Sitzung im Kasino wurden vermutlich durch den Vorsitzenden, den aus Koblenz stammenden Trierer Lehrer Dr. Adolf Dronke, den Anwesenden die Schönheiten der Eifel geschildert und die Ziele des Vereins erläutert. Die Ortsgruppe sollte ihre Aktivitäten auf die Gegend um den Laacher See und auf die Täler und Berge links der Untermosel konzentrieren. Zum Vorsitzenden wählte man Amtsgerichtsrat Bram, Landrat Graf Brühl, Prof. Dr. Conrad, Gymnasiallehrer Dr. Follmann, Amtsrichter Schneider und Archivrat Dr. Becker.

Der Eifelverein war am 22. Mai 1888 in Bad Bertrich gegründet worden, eine vorbereitende Sitzung hatte am 18. März in Gerolstein stattgefunden; an beiden Veranstaltungen waren Vertreter aus Koblenz anwesend. Das Gründungsdatum der Ortsgruppe überliefert ein Artikel in der „Coblenzer Zeitung“ vom 17. Mai 1889. Warum die Koblenzer Gründung so spät erfolgte, bleibt rätselhaft. Noch 1888 wurden 24 Ortsgruppen des Eifelvereins gegründet, 1889 folgten 19 weitere. Das „Cassa Buch des Eifel Vereins“ aus den Jahren 1888 bis 1903, von Dr. Adolf Dronke bis zu seinem Tod persönlich geführt und unterschrieben, verzeichnet vom Juli bis in den September 1888 die Zahlungseingänge der neu gegründeten Ortsgruppen, zahlenmäßig an der Spitze Trier und Wittlich. Danach folgt eine Liste von Orten, hinter denen die Zahl der Mitglieder und eine Summe stehen. Diese ist doppelt so doch wie die Mitgliederzahl. Nach der Satzung von 1888 betrug der Jahresbeitrag 2 M, von denen die Hälfte die Ortsgruppe einbehalten konnte, die andere ging an den Hauptverein, der damit einzelne Projekte unterstützte. Bei den Personen, die 2 Reichsmark zahlten, handelt es sich also um Mitglieder im Hauptverein. Bei Koblenz stehen die Zahl drei und ein Betrag von 6 M. Die Liste endet am 22. Oktober 1888. Danach und vor dem 1. Januar 1889 werden nochmals 2 M aus Koblenz verbucht. Es muss hier also bereits 1888 vier Mitglieder gegeben haben. Am 9. November 1889 finden wir dann eine Buchung von 264 M, was auf eine Ortsgruppe von beachtlicher Größe hinweist.

Mitgliederverzeichnis Ortsgruppe Koblenz 1889

Mitgliederverzeichnis Ortsgruppe Koblenz 1889

Einige Indizien liefert das nach Ortsgruppen geordnete Mitgliederverzeichnis des Eifelvereins, das vermutlich ebenfalls Dronke bald nach der Gründung anlegte und wohl schon 1889 aufgab. Es beginnt mit den Ortsgruppen Trier (96 Mitglieder), Neuerburg (66) und Kyllburg (35), auf S. 69 kommt Koblenz mit fünf Namen: Landrat Graf von Beyssel, Geheimer Regierungsrat Ernst von Philippsborn, Abgeordneter Berger aus Horchheim, Oberforstmeister Reinhard Eigenbrodt und der Religionslehrer Dr. Chr. Schmitt. Bei dem ersten Mitglied handelt es sich um Landrat Otto Graf Beissel von Gymnich, der bereits an der Vorbereitungssitzung in Gerolstein teilgenommen hatte und bei der Gründung in Bad Bertrich in den Hauptvorstand gewählt wurde. Diesem gehörte auch sein Nachfolger Franz Graf von Brühl an, der zudem 1889 in den Vorstand der Ortsgruppe Koblenz gewählt wurde.

Ab S. 559 sind 95 Mitglieder verzeichnet, die keiner Ortsgruppe, sondern dem Hauptverein angehörten. Hier finden wir gleich am Beginn Gymnasiallehrer Mönch und Religionslehrer Royer aus Boppard sowie den Pastor Theweny aus Winningen – Ernst Theveny wird auch in Dronkes Rechnungsbuch am 3. Mai 1890 als Einzelmitglied verbucht – sowie den Oberförster Künster und den Bürgermeister Daniels, beide aus Treis an der Mosel. Es gab also wohl schon 1888 eine Reihe von Mitgliedern des Eifelvereins in Koblenz, zu einer formellen Vereinsgründung kam es aber erst 1889.

Am 4. Juli 1889 fand dann die erste Hauptversammlung der Ortsgruppe statt. Sie beschloss eine Satzung und bestätigte den Vorstand, in den zusätzlich der Geometer Fohl, der Kaufmann H. Knödgen, der Rentner A. Peltzer, der Forstmeister Rundspaten, Amtsrichter P. Schneider, Rentner N. Schröder (sen.) und Kommerzienrat Spaeter gewählt wurden. Unter einem Rentner muss man sich keinen Ruheständler vorstellen, sondern einen Rentier, eine Person, die von ihrem Vermögen lebte. Die Mitgliederzahl stieg im Sommer 1889 auf 240 und im Herbst auf über 300; Koblenz war damit eine der stärksten Ortsgruppen des Eifelvereins. Bei den Vereinsaktivitäten stand nicht das Wandern im Vordergrund, sondern die Förderung des Tourismus. Man legte Wanderwege in den Tälern links der Mosel an, in Güls, Winningen, Kobern, Lasserg und zur Burg Eltz. Auf der Blumslay wurde für 432 M eine Blockhütte errichtet; zum Ärger des Vorsitzenden trat die Gemeinde Winningen dennoch aus dem Verein aus, später aber wieder ein.

Am Laacher See wurde an der Stelle, an der 1927 der nach der Ehefrau des stellvertretenden Eifelvereinsvorsitzenden benannte Lydiaturm erbaut wurde, eine Plattform aufgestellt, die aber aus Gründen der Verkehrssicherheit wieder abgerissen werden musste. 1889 errichtete bzw. begann der Jagdclub Bell einen Aussichtsturm auf dem Gänsehals. Da die Jagdgruppe Mitglied des Eifelvereins war, schenkte sie diesem 1895 den Turm, den Follmann als „Schmerzenskind“ des Vereins bezeichnete. Dieser leistete Zuschüsse in Höhe von 1040 M. 1889, 1891 und 1894 zahlte der Hauptverein jeweils 200 M an die Ortsgruppe Koblenz. 1896 gab es eine eigene „Anleihe Gänsehals“, die in Dronkes Rechnungsbuch viele Seiten füllt. Seitdem ist man beim Bau von Aussichtstürmen vorsichtig geworden. „Leider ist der … einsam gelegene Bau noch immer rücksichtsloser Zerstörung preisgegeben, wie man bei fast jedem Besuch beobachten kann.“ Die Reparaturkosten waren immens. 1914 gab es wieder „gewaltsame Beschädigungen durch Touristen“, so dass der Eifelverein versuchte, den Turm an den Kreis Mayen oder die Gemeinde Bell loszuwerden. Erst 1927 gelang der Verkauf an den „Skiclub Koblenz“.

Am 16. April 1903 starb Amtsgerichtsrat a. D. Dr. Gottfried Bram (1825-1903). Geboren in Trier studierte er in Bonn und war dann Richter in Hillesheim, Mayen und Koblenz. Sein Nachruf stellt ihn mit dem 1898 verstorbenen „Eifelvater Dronke“ auf eine Stufe, bezeichnete ihn als „Vater Bram“ und nannte ihn wegen seines rauschenden Bartes „Wodan der Wanderer.“ Follmann widmete ihm Verse: Wer ist der Greis im Silberbart | In dem sich Kraft und Milde paart | So feucht und fröhlich blickt er drein | Als wär er selbst der Vater Rhein.

Foto-2Brams Nachfolger wurde der bisherige Schriftführer Prof. Dr. Otto Follmann (1856-1926). In Landscheid in der Eifel geboren, besuchte er das Gymnasium in Trier und studierte in Berlin, Münster und Bonn. 1882 promovierte er über die devonischen Schichten der Eifel. Er wurde Hilfslehrer in Bonn und 1889 Oberlehrer am Koblenzer Augusta-(heute Görres-) Gymnasium. 1908 ernannte ihn die Universität Bonn zum Honorarprofessor und 1913 wurde er in den Hauptvorstand des Eifelvereins gewählt. Seine Leidenschaft galt der Geologie der Eifel, namentlich dem Vulkanismus. Mit zahlreichen Führungen und Vorträgen machte er die Ortsgruppe zu einem geographischen Studienzirkel. An Büchern veröffentlichte er 1894 eine kürzere Übersichtsdarstellung und 1912 eine reich illustrierte Monographie „Die Eifel“, 1915 veröffentlichte er einen „Abriß der Geologie der Eifel“ und im Auftrag des Eifelvereins einen „Vulkanwegführer.“ Weiter ist eine Untersuchung über die Bleierzgruben im Kondertal (1920) zu nennen.

Klöppeldenkmal in Arzfeld

Klöppeldenkmal in Arzfeld

In Follmanns Amtszeit ergriff die Ortsgruppe Koblenz die Initiative zur Errichtung eines Denkmals für die „im Kampf für das Vaterland gefallenen Knüppelkrieger“ in Arzfeld. 1798 hatte es in der Westeifel und in Luxemburg einen Aufstand gegen die französische Herrschaft gegeben. 2.000 mit Heugabeln, Sensen und Knüppeln (Klöppel) bewaffnete Bauern wollten Luxemburg befreien, wurden aber bei Arzfeld geschlagen. 1908 beschloss der Eifelverein, ein Denkmal zu errichten. Der Ortsgruppe Koblenz wurde die Federführung übertragen. Die Kosten betrugen 4.237 M. Davon steuerten die Ortsgruppen 1.197 M und der Koblenzer Verein weitere 519 M bei. Der Kreis Bitburg gab 30, der Kreis Prüm 100, sodass 2.023 M zusammenkamen. Die Differenz von 2.213 M bezahlte der Hauptverein.

1904 ergriff Follmann eine Initiative zum Aufbau einer Lichtbildersammlung für Vorträge und Werbeveranstaltungen, ein Projekt, in das er viel Geld und Energie gesteckt hat. 1914 umfasste die nunmehr dem Hauptverein übereignete Sammlung 900 Bilder, von denen 250 von der Ortsgruppe bezahlt worden waren.

Weitere Hinweise auf die Aktivitäten der Ortsgruppe ermöglicht das Eifelvereinsblatt. Am 28. Januar 1900 fand die Jahreshauptversammlung im Gasthof Maiwald statt. Anwesend waren der Hauptvorsitzende, General von Voigt, und sein Stellvertreter, Dr. Andreae. Man bewilligte dem Verschönerungsverein Moselkern 50 M zur Verbesserung des Weges zur Burg Eltz und 150 M zum Bau der Dronke-Schutzhütte auf dem Mäuseberg bei Daun, wo 1900/02 zur Erinnerung an den Vereinsgründer der Dronketurm errichtet wurde. Anschließend hielt Follmann einen Vortrag über die Niederschlagsverhältnisse in der Eifel und die 1900/05 erbaute Urfttalsperre bei Gemünd. Sie sollte 5 Mio M kosten, 45 Mio Kubikmeter Wasser fassen und 10.000 „Pferdekräfte“ (7.350 Kilowatt) entwickeln. Bei der nächsten Hauptversammlung am 17. Dezember 1900 gab es einen Vortrag „über eine Radfahrt durch die Eifel von der Ahr bis zur Mosel.“ Weiter beschloss man, ein Medaillon mit einem Bildnis von „Direktor Dronke“ anzuschaffen und bei der Ruhebank am Distelbergerweg oberhalb von Winningen anzubringen. Bei der Versammlung am 26. März 1902 konnte man ein Vermögen von 1.084 M vermelden. Die Einnahmen betrugen 903 M, davon 541 an Mitgliederbeiträgen. Die Ausgaben beliefen sich auf 445 M. Für das Vereinslokal Maiwald sollte ein weiteres Reliefporträt Dronkes angekauft werden.

Am 18. Juni 1904 erfahren wir erstmals Genaueres über eine Wanderung, die erste in diesem Jahr: 30 Damen und Herren fuhren mit der Bahn nach Winningen, stiegen zur Blumslay hoch und dann zum „Moselsprudel im Belltal“ hinunter. Im Schein der Abendsonne erreichten sie Kobern, wo sie im neu erbauten Saal des Gasthauses Simonis einkehrten. Mit dem letzten Zug ging es nach Koblenz zurück, wo man noch zu einem „Schlummerschluck“ einkehrte.

1912 können wir dem Versammlungsbericht entnehmen, dass inzwischen an jedem ersten Samstag im Monat eine Wanderung veranstaltet wurde. Auf dem Programm standen „eine interessante Tour in die wilde Ruppertsschlucht im Lahntal“ und eine Herbstwanderung durch das „Catteneser Tal“ mit seinen 13 Mühlen. Die Schlussrast in Hatzenport fiel kurz aus, weil der Dampfer nach Koblenz schon in Sicht war. Im gleichen Jahr wurde beschlossen, die Monatswanderungen auch im Winter anzubieten. Sie gingen vom Bienhorntal über die Schmidtenhöhe nach Lahnstein, von Polch über Burg Eltz nach Moselkern und von Sinzig nach Remagen. Bei Schnee gab es ersatzweise Touren im Stadtwald „mit Abkochen.“ Follmann referiert „mit Lichtbildern“ über die Vulkaneifel, und den „Gesellschaftsabend“ eröffnet ein Diavortrag über das Hohe Venn. Außerdem wurde beschlossen, nach 24 Jahren den Mitgliedsbeitrag von 2 auf 2,50 M zu erhöhen; er wird innerhalb der Stadt durch einen Boten erhoben.

1913 wurde erstmals das Jahresprogramm im Vereinsblatt veröffentlicht. Auf der Jahreshauptversammlung am 6. März 1913 wurde berichtet, man habe im Vorjahr sechs Halbtagswanderungen und eine zweitägige Tour unternommen, an denen zusammen 180 Personen teilgenommen haben. Weiter gab es zwei „wissenschaftliche Lichtbildervorträge.“

Bereits 1891 fand die erste Hauptvorstandssitzung, der Vorläufer der heutigen Frühjahrstagungen, im verkehrstechnisch günstig gelegenen Koblenz statt, ebenso 1896 und 1897, 1899, 1903, 1904, 1907 und dann nochmal 1914. 1894 wurde der Deutsche Wandertag, verbunden mit der Versammlung des Verbandes Deutscher Touristen-Vereine, in Koblenz veranstaltet. Veranstalter war freilich der Hunsrückverein, weil der Eifelverein ein Jahr zuvor die Feier in Trier ausgerichtet hatte.

II. Wer waren die Mitglieder im Koblenzer Eifelverein?

Der Eifelverein veröffentlichte um 1900 regelmäßig Verzeichnisse seiner Mitglieder, die nach Ortsgruppen geordnet sind. Sie wurden der Zeitschrift beigelegt, sind aber in den Exemplaren der Bibliotheken oft nicht eingebunden worden und gingen als Kleinschrifttum verloren. Wir nehmen uns das Verzeichnis von 1909 zur Hand und fragen nach der Zahl und nach den Berufen der Mitglieder, die Rückschlüsse auf die Sozialstruktur zulassen, nach der Rolle von Frauen und nach den Wohnorten der Mitglieder. Ein kurzer Vergleich mit dem Trierer Eifelverein und dem „Coblenzer Wanderverein“ rundet das Bild ab.

Im Jahre 1909 hatte die Ortsgruppe Koblenz 271 Mitglieder. Die Größte war Köln (1.755), gefolgt von Bonn (814), Aachen (606), Trier (445), Düsseldorf (358), Düren (358) und Prüm (276). Heute (2012) wäre Köln die größte, wenn sie sich nicht in zwei Ortsgruppen (Eifelverein Köln: 539, Kölner Eifelverein: 797) zerlegt hätte, Bonn (801), Neuss (698), Trier (495), Berlin (417) und Düren (407): Koblenz folgt mit (298).

Von den 271 Mitgliedern waren sieben körperschaftliche Mitglieder: Der Landkreis Koblenz, die Gemeinde Metternich, die Moseldampfschifffahrts-Gesellschaft, die königliche Regierung, das königliche Staatsarchiv, der Rheinische Verkehrsverein und das Zivil-Kasino. Da es noch keine Familienmitgliedschaft gab und der Mann als Haushaltsvorstand galt, werden nur die Namen der Männer genannt. Ausnahmen sind Frau Rechtsanwalt Herter, Frau Justizrat Lönartz, Frau Landgerichtspräsident Reichensperger und „Frl. Zender, Lehrerin“ in Boppard – vermutlich handelt es sich um drei Witwen und eine aus beruflichen Gründen unverheiratet gebliebene Frau.

An der Spitze der Liste steht der Vorstand: Prof. Dr. O. Follmann, Forstmeister A, Mohr als Stellvertreter, Kaufmann N. Schröder (jun.) als Schatzmeister und Prof. Dr. J. Schumacher als Schriftführer. Es folgen der Rentner K. Abesser, der Ingenieur A. André, der Besitzer des Monopolhotels A. D’Avis, der Arzt Dr. J. Füth, der Rechtsanwalt G. Herter, der Rechnungsrat F. La Vallée, der Amtsgerichtsrat J. Mündnich und der Amtsgerichtsrat P. J. Schneider.

Es würde zu weit führen, sämtliche Mitglieder anhand der Adressbücher oder der Behördenmitarbeiterverzeichnisse zu identifizieren, zumal die Orthographie nicht unbedingt heutigen Maßstäben entspricht. Eine grobe statistische Auswertung muss genügen: 104 Personen (38%) kann man als Beamte im weitesten Sinne bezeichnen, und zwar 35 Richter, 26 Lehrer, sechs Offiziere, zwei Förster (die gemäß Satzung keinen Beitrag zahlen mussten), zwei evangelische Geistliche und 33 sonstige Verwaltungsbeamte. Die zweitgrößte Gruppe waren die Vertreter bürgerlicher Berufe, 96 Personen (35%), darunter 66 Kaufleute, 23 Fabrikanten und Handwerker sowie sieben Gastronomen und Hotelbesitzer. Eine etwas kleinere Gruppe waren die Angehörigen der freien Berufe, insgesamt 44 Personen (16%), darunter 20 Ärzte und Apotheker, 15 Rechtsanwälte und Notare sowie neun Architekten. Bei 20 Mitgliedern ist kein Beruf oder „Rentner“ angegeben.

Das Mitgliederverzeichnis des Eifelvereins liest sich wie ein „who is who“ der Koblenzer Stadtgeschichte, wir finden eine ganze Reihe prominenter Beamter, den Oberbürgermeister und mehrere Landgerichtsdirektoren, den Reichsbankdirektor und mehrere Gymnasialdirektoren wie auch den evangelischen Oberkonsistorialrat. Auch bei den Fabrikanten, Hotelbesitzern, Ärzten, Apothekern, Rechtsanwälten und Architekten waren „die oberen 10.000“ bestens vertreten. Aus der Namensliste kann man weitere Folgerungen ableiten: Ein großer Teil der Genannten besaß eine akademische Ausbildung und verfügte über ein weit überdurchschnittliches Einkommen. Die meisten von ihnen dürften keine geborenen Koblenzer sein, sondern Zuwanderer aus der Rheinprovinz oder anderen preußischen Verwaltungsbezirken. Man wird auch nicht fehl in der Annahme gehen, dass der Anteil der Protestanten im Eifelverein wesentlich größer war als bei der Koblenzer Bevölkerung. Arbeiter, Bauern und Winzer finden wir in der Mitgliederliste nicht, sondern die Repräsentanten der preußischen Verwaltungs- und Wirtschaftselite. Wandern im Eifelverein – das war um 1900 ein so exklusiver Sport wie heute das Golfen in einigen Clubs.

Die spezifische Sozialstruktur hängt mit der Geschichte des Eifelvereins zusammen, der 1888 von dem Gymnasialdirektor Dr. Adolf Dronke als Gegenverein zu dem 1884 ins Leben gerufenen „Trierischen Bauernverein“ des katholischen Publizisten, Gründers des bistumsnahen „Paulinus“ und Zentrumsabgeordneten Georg Friedrich Dasbach gegründet wurde. Kurz nach dem Kulturkampf, der das Verhältnis zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche sowie der überwiegend katholischen Bevölkerung in der Eifel schwer erschüttert hatte, wollte man die Interessenvertretung der Eifel nicht einem katholischen Verein überlassen. Der Eifelverein war in den ersten Jahrzehnten vorrangig eine Organisation zur Förderung des Tourismus, er betrieb die Anlage von Wanderwegen, den Bau von Bänken, Schutzhütten und Aussichtstürmen, den Druck von Prospekten, Wanderführern und Wanderkarten sowie die wissenschaftliche Erschließung der Eifel. Gewandert wurde zwar auch. Nach den Fotos zu urteilen handelt es sich aber eher um Spaziergänge, und die gehobene Gemütlichkeit hatte in dem Honoratiorenverein einen hohen Stellenwert.

Eifelverein, OG Rheinbach (1908)

Eifelverein, OG Rheinbach (1908)

Die am Beispiel der Koblenzer Mitgliederliste gewonnenen Ergebnisse lassen sich bestätigen, wenn man einen Blick auf die Ortsgruppe in der Garnisons-, Verwaltungs-, Schul- und Bischofsstadt Trier wirft, die 1908 450 Mitglieder hatte. Auch hier betrug der Anteil der Beamten 38%, wobei die Zahl der wandernden Offiziere weitaus höher lag. Dafür war in Trier die Quote der Fabrikanten und Handwerker höher (41 statt 35%) und die der freien Berufe kleiner (10 statt 16%). Die These, dass der Eifelverein sich aus keinem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung, sondern vorrangig aus den Angehörigen der akademisch gebildeten preußischen Verwaltungs-, Justiz- und Wirtschaftselite zusammensetzte, lässt sich also für Trier bestätigen. Interessanterweise trifft sie auch für den Hauptverein zu. Dieser wollte 1907 über seine Klientel Bescheid wissen und ließ die Liste seiner 6.867 Mitglieder auszählen. Hier betrug der Anteil der Beamten 37%, Kaufleute und Fabrikanten bildeten mit 29% eine bedeutende Mitgliedergruppe, gefolgt von Handwerkern und Wirten. Auch die Ärzte und Apotheker sind mit 6% gut vertreten. Dieser Befund ist umso erstaunlicher, als dass in der Eifel die Zahl der Beamten, Lehrer, Juristen, Ärzte und Architekten weitaus geringer war als in den großen Städten Koblenz und Trier. Der Eifelverein war also auch hier eher im Kreis der preußischen Elite verankert als in der ländlichen Bevölkerung.

Die Zahl von 6.867 Mitgliedern lässt noch aus einem anderen Grund aufhorchen. Der Eifelverein zählt heute (2013) 18.000 Voll-, 8.000 Partner-, 1.700 Jugend- und 400 Einzelmitglieder sowie 400 korporative Mitglieder, zusammen 28.500. Das sind viermal mehr als 1907. Da aber damals Ortsgruppen wie Aachen, Köln, Koblenz und Bonn auch schon stattliche Mitgliederzahlen hatten, lässt sich feststellen, dass der Eifelverein vor 100 Jahren viel stärker in den Großstädten am Rande als in den Kleinstädten und Dörfern der Eifel verwurzelt war.

Hier hält die Koblenzer Liste von 1907 noch eine Überraschung bereit. Sie nennt 27 Personen, die nicht in Koblenz wohnhaft waren. Vor allem ist Lützel und aus dem Großraum Koblenz Bassenheim, Urmitz, Rhens, Weißenthurm, Mülheim, Pfaffendorf und Metternich zu nennen, von der Mosel Traben und Cochem sowie vom Mittelrhein Boppard. Erstaunlich ist aber die Tatsache, dass zehn Mitglieder in Winningen wohnten: Der Architekt Ferdinand Bernhard, der Gutsbesitzer C. M. Heddesdorf-Peters, der Winzer und Weinhändler Hermann Ewald (HE) Hoffbaur, der Winzer und Gastwirt im Goldenen Adler, Friedrich Albert Hoffbaur, der Kantonsarzt Dr. Lawreisen (Lavreysen), der Bürgermeister Friedrich Meyer, der Pfarrer Adolf Müller, der Apotheker Richard Schlickum, der Weinhändler A. H. Schwebel und der Förster Wegerich. Es ist anzunehmen, dass die politische, kirchliche und wirtschaftliche Elite der evangelischen Moselgemeinde großes Interesse am kulturellen und gesellschaftlichen Leben „der oberen 10.000“ in der benachbarten Verwaltungs- und Garnisonsstadt hatte und deshalb anders als andere Moseldörfer eine stattliche Zahl von Mitgliedern stellte.

Es besteht noch eine andere Möglichkeit, die Interpretation der Mitgliederliste zu überprüfen: Es gab in Koblenz auch noch andere Wandervereine, eine Ortsgruppe des Hunsrück- und vielleicht auch eine des Westerwaldvereins. Zudem wurde 1892 – also kurz nach dem Eifelverein – der „Coblenzer Wanderverein“ gegründet. 1914 veröffentlichte er eine Festschrift mit einer für die zeitgenössische Wanderkultur höchst aufschlussreichen Vereinsgeschichte, zahlreichen Liedern und Mitgliederlisten. Anlässlich der 1800. Wanderung wurde 1934 eine weitere Festschrift herausgeben.

Der Coblenzer Wanderverein hatte bei seiner Gründung 1892 93 Mitglieder. 1914 waren es 120. 1904 hatte der Vorstand beschlossen, die Mitgliederzahl zu beschränken, um „die Lenkbarkeit des Vereins zu erhalten.“ Für Interessenten wurde eine Warteliste angelegt. Von den 93 Mitgliedern im Jahre 1892 kann man 91% als Beamten ansehen, die zum größten Teil in der Justiz tätig waren, 4% waren Offiziere und 5% Vertreter bürgerlicher Berufe. 1914 hatte sich die Zusammensetzung gründlich geändert, der Anteil der Beamten war auf 57% gesunken, der der Offiziere auf 33% gestiegen und der der bürgerlichen Berufe auf 10%. Es lässt sich also nachweisen, dass hier die Offiziere eine größere und die Fabrikanten, Hoteliers, Ärzte und Anwälte eine geringere Rolle spielten als im Eifelverein. In beiden Vereinen stand vor allem die preußische Elite und weniger der Mann von der Straße im Vordergrund. Auch das Programm – Wandern, verbunden mit gehobener Gemütlichkeit – war sich ähnlich. Vergleicht man die Liste von 1914 mit der Eifelvereinsliste von 1907, dann findet man 18 Doppelmitglieder; die Vereine werden sich also nicht spinnefeind gewesen sein. Der eine führte das Motto „Frisch auf“ und der andere „Gut Schritt.“

III. Wie wanderte man im Kaiserreich?

Die Festschrift des Coblenzer Wandervereins gibt uns interessante Einblicke in die zeitgenössische Wanderkultur. Der Verein wurde von dem Staatsanwalt Dr. Meese ins Leben gerufen, ein Mitglied des Barmen-Elberfelder Wanderclubs, das 1890 nach Koblenz versetzt worden war. 1892 wurde in dem Restaurant Maiwald in der Schloßstraße der Verein gegründet, der „die Naturschönheiten von Coblenz und Umgebung“ erschließen sollte. Er ging aus einem Juristenkegelclub hervor, dem Vorstand gehörten ein Landgerichtsdirektor, ein Rechtsanwalt und ein Staatsanwalt an. Man beschloss zwanglose Wanderungen an den Samstagnachmittagen, einen Jahresbeitrag von 2 M und eine Information der Mitglieder durch Postkarten. 1893 gab es die erste „Schüsselwanderung“ – eine Veranstaltung, bei der man zwischen dem Büffet und dem Tisch hin und her wanderte. An ihr nahmen „zahlreiche Vertreterinnen des schönen Geschlechts teil.“ Frauen wurden jedoch nicht immer mitgenommen. Im Jahre 1900 gab es nach einer Wanderung von Löf nach Brodenbach Beschwerden „wegen schmutziger und steiler Wege“, und auch bei einer Wanderung von Nassau nach Arnstein „zeigten sich die Waldwege für Damenstiefelchen schwer gangbar.“ Zu einem deftigen „Wanderschmaus“ im Anker in Vallendar „wurden Damen aus begreiflichen Gründen nicht gebeten.“

Eifelverein, OG Neuerburg (1912)

Eifelverein, OG Neuerburg (1912)

1896 wollte man die Wanderungen auf den Mittwoch verlegen. Doch davon nahm man Abstand, weil mittwochs bereits die Gruppe „Wanderlust“ des Hunsrück- und Hochwaldvereins wanderte. Der Wanderverein verstand sich durchaus auch als Kulturverein und besichtigte bei seinen Wanderungen unter sachkundiger Führung zahlreiche Kunst- und Naturdenkmäler. Auch gab es „Kellerstudien bei Major [Emil] von Pastau in Winningen.“ Bereits 1901 wurden die Wanderungen und die Schritte gezählt, der Sieger wurde mit einem Wanderstab ausgezeichnet. Neben den Schüsselwanderungen gab es Blütenwanderungen, Schneewanderungen und Kirschblütenwanderungen. Umstritten war der „Blumensport“ – das Blumenpflücken beeinträchtige das Wandertempo.

Gelegentlich konnten sich die Wanderer am Schluss „festkneipen“, aber die Bahn brachte sie noch vor Mitternacht nach Koblenz zurück, wo man sich zu einer „Nachrast“ im Bristol traf. Bereits damals wurde der Alkoholkonsum kritisiert, an seine Stelle traten „Kaffeegelage mit Kuchen der Jahreszeit.“ 1911 stiftete Kommerzienrat Lessing aus Oberlahnstein ein jährliches Spargelessen. Außerdem wurden ein selbständiger „Damenwanderverein“ und ein „jugendlicher Wanderverein“ ins Leben gerufen. 1914 zog der Verein eine positive Bilanz. Man habe nicht nur „die Wanderlust in Coblenz geweckt“ und den Druck eines Wanderführers für die Umgebung angeregt. „Auch das gesellschaftliche Leben in Coblenz hatte Gewinn davon, indem sich Männer aus den verschiedensten Stellungen näher traten und einen gemütlichen ungezwungenen Verkehr pflegten, der eine gewisse Steifheit früherer Zeiten glücklich überwand.“ Die Damen hat der Verfasser vergessen, und zu den „verschiedensten“ Stellungen ist zu bemerken, dass diese fast ausschließlich in der Justiz und in der Armee waren. Aber er hat Recht, die aus allen preußischen Provinzen nach Koblenz versetzten Offiziere und Beamten fanden im Wanderverein wie auch im Eifelverein zueinander.

IV. Wohin wanderte man 1913/14?

Am 9. Juli 1913 legte der Schriftführer des Eifelvereins, der Gymnasiallehrer Hans Hürter, ein Protokollbuch an, das bis zum 31. Dezember 1964 geführt wurde. Darin wird über Vorstandssitzungen und zunächst auch über die einzelnen Wanderungen berichtet. Gelegentlich sind Zeitungsartikel eingeklebt. Leider sind einige Seiten herausgerissen, nicht nur die aus dem Dritten Reich. Weiter kann man einige Artikel im Eifelvereinsblatt heranziehen, das im Juli 1913 berichtet, man würde jetzt zwei Wanderungen im Monat anbieten, an denen „mit Damen“ 40 bis 60 Personen teilnehmen. Im Juni gab es eine Wanderung auf dem von Follman mit viel Engagement angelegten Vulkanweg von Niederzissen über den Gänsehals nach Mayen. Warum man diese mit ausführlichen Erläuterungen des Vorsitzenden versehene Veranstaltung als „Herrenwanderung“ durchführte, bleibt rätselhaft.

Wanderplan der Ortsgruppe Koblenz 1913

Wanderplan der Ortsgruppe Koblenz 1913

Am Mittwoch, den 9. Juli 1913 fand die erste Juliwanderung statt, die von Braubach auf dem Rheinhöhenweg nach Camp führte. 19 Personen nahmen daran teil. Die zweite Juliwanderung führte am Samstag, den 26. von Güls nach Winningen. Man traf sich an der Gülser Fähre und wollte durch den Rübenacher Wald und über die Blumslay nach Winningen wandern. Doch bereits beim Start nahte ein Gewitter, die 30 Damen und Herren flüchteten in ein Lokal, wo man den „fröhlichen Teil“ der Veranstaltung vorwegnahm. Nach dem Trinken, Singen und Tanzen besserte sich das Wetter, ein Teil der Wanderer beschloss, die Tour an der Mosel entlang fortzusetzen, der Rest fuhr mit der Bahn nach Koblenz zurück. In Winningen wurde im „Schwan“ ein Tanzkränzchen für die Jüngeren eingerichtet, während sich die „älteren Semester“ an einem anderen Tisch des „Becherlupfs auch weiterhin erfreuten.“ Um Mitternacht ging es zurück.

Am Samstag, den 2. August 1913 ging es nachmittags um 2.59 Uhr mit der Bahn nach Boppard und dann nach Pfaffenheck, dort gab es eine Kaffeerast, nach der der Abstieg über den Bauhof, den Bunkehof, Burg Thurant und Alken nach Kattenes erfolgte, wo die 37 Teilnehmer bei „Gries“ in „fröhlichster Stimmung“ Schlussrast hielten. Für die Unentwegten gab es noch eine Fortsetzung im Luxemburger Hof in Koblenz. Am Mittwoch, den 20. August fuhr man um 2.59 Uhr von Koblenz nach Nassau. Auf dem Weg nach Obernhof gab es „Erklärungen“ zu den Burgen Nassau und Stein sowie zu Kloster Arnstein. 27 Personen kehrten beim „Binger“ in Obernhof ein. Mit „Eifelvereinsjubel“ ging es um 7.53 Uhr zurück.

Am Samstag, den 27. September ging es um 1.10 Uhr nach Hatzenport und dann über Burg Bischofsstein und Lasserg nach „Schloß Eltz“. Gegen 6 Uhr kehrten die 36 Wanderer bei „Heitger“ in Moselkern ein. Am Samstag, den 4. Oktober ging es nach Kobern-Gondorf. Begeistert wird das „schöne Weingelände“ geschildert: „die Oktoberfärbung der Reben ist geradezu einzigartig farbenprächtig.“ Von der Matthiaskapelle aus erfolgte ein schwieriger Abstieg über Felsgrate, die Weinberge waren nämlich „für jeglichen Verkehr geschlossen, zur Zeit der Reife hängen die schönen Trauben verführerisch da. Früchte verlocken. Nichts verraten, Adams Wille war der stärkere.“ Das Wanderjahr endete für die 36 Teilnehmer mit einer „fidelen Nachsitzung im Hotel Simonis in Kobern.“ Am 7. November 1913 fand die Vorstandssitzung im Luxemburger Hof statt: Man zählte 480 Mitglieder und freute sich darauf, beim „Jubelfest“ 1914 die Zahl 500 zu erreichen.

Das Wanderjahr 1914 begann am 25. Januar mit einem Lichtbildervortrag von Gymnasiallehrer Hürter über die Naturschönheiten von Mayen und Umgebung. Danach gab es „Lieder- und Scherzvorträge“ sowie alte und „neumodische“ Tänze. Die Veranstaltung dauerte bis 12 ½ Uhr. Am 13. Februar fand eine „Versammlung des Wanderausschusses“ (Wanderführerbesprechung) statt: 18 Touren wurden für 1914 geplant und im Einzelnen aufgelistet.

Das Wanderjahr 1914 stand zunächst unter keinem günstigen Stern: An der ersten Samstagswanderung am 14. Februar nahmen wegen des schlechten Wetters nur sechs Herren und fünf Damen teil. Die Tour durch den Koblenzer Stadtwald wurde von „endlosem Bindfadenregen“ beeinträchtigt. Der Koch bereitete heiße Würstchen zu und briet Kartoffeln im Lagerfeuer. Man hatte mit mehr Wanderern gerechnet, doch dankenswerterweise unterstützen einige Waldarbeiter, die eine alte Eiche fällten, die Wanderer, die „die übergroßen Vorräte nicht zu bewältigen vermochten.“

Am 12. März war die Jahreshauptversammlung im Lokal der Liedertafel. Man hatte im Vorjahr 13 Wanderungen mit 390 Teilnehmern durchgeführt. Bei den Mitgliedern gab es 153 Zugänge und 30 Abgänge (Offiziere und Beamten wurden oft versetzt); insgesamt kam man auf 515 Mitglieder. Diskutiert wurde über die Bekanntgabe der Wanderungen. Die Anzeigen im Generalanzeiger und in der Koblenzer Zeitung seien viermal so teuer als die in der Volkszeitung. Es gab also damals in Koblenz drei Tageszeitungen, von denen mindestens eine auch noch zweimal am Tag erschien. Weiter wurde beschlossen, das Gehalt des Vereinsdieners Schröder von 12 auf 18 M im Monat zu erhöhen. Eine Besichtigung der Weinkellereien von Wegeler wurde angeregt. Der am 1. Januar 1913 verstorbene Kommerzienrat Julius Wegeler hatte in die Firma Deinhard eingeheiratet und war – gemeinsam mit seinem Bruder Carl, der Mitglied im Eifelverein war – Geschäftsführer.

Am nächsten Tag, am Samstag, dem 14. März ging es um 2.55 Uhr ab Hauptbahnhof nach Alken und von dort auf den Bleidenberg. Nach Erläuterungen zur Dreifaltigkeitskirche und zu Burg Thurant zogen 37 Wanderer nach Niederfell. „Auf der Niederfeller Flur, wo weder Baum noch Strauch Schutz bot, setzte eine Sturm- und Wasserflut ein, die alles bisherige, was der Eifelverein an Überraschungen erlebte, weitaus überboten hat.“ In Niederfell half „Flöcks Mutti“ mit Handtüchern aus ihren „Linnentruhen“. Die „Nachsitzung“ entfiel wegen „Flucht an den heimatlichen Herd.“ Nicht viel besser war das Wetter am Mittwoch, den 25. März. Im Vorjahr wurden wir vom Wetter begünstigt, dieses Jahr sei trostlos, heißt es im Protokoll. Um 2.55 Uhr fuhr man nach St. Goar, eine ungenannte Zahl „wetterfester Herren“ wanderte über Bibernheim und den „spitzen Stein“ nach Oberwesel.

Am 3. April 1914 war Vorstandssitzung im Luxemburger Hof. Es wurde ein Festausschuss für die dreitägige Hauptversammlung vom 7. bis 9. Juni 1914 gebildet. Ein Wohnungsausschuss sollte bei den Wirten eine Voranfrage nach Zimmern machen, ein Wohnungsbüro wurde im Hotel Bristol eingerichtet. Das Festessen wurde geplant, die Musik bestellt, die Festhalle und das Kasino geschmückt und die Presse informiert. Follmann sollte eine Geschichte der Ortsgruppe zusammenstellen. Als Festabzeichen wurde eine große Rosette in den Koblenzer Farben in Auftrag gegeben, für die Jubilare als Erinnerungszeichen 50 Wanderstäbe mit den Abzeichen des Eifelvereins.

Am nächsten Tag, am Samstag den 4. April, führte der Vorsitzende einen Spaziergang auf dem Vulkanweg von Andernach nach Maria Laach. 62 Wanderer hatten sich auf seine geologischen Erläuterungen gefreut, doch es wird die vierte verregnete Wanderung in diesem Jahr. Um 1.45 Uhr fuhr der Zug ab, wegen der Damen nahm man den kürzeren Weg über Eich zum Lydiaturm am Laacher See. Nach einer Kaffeerast ging es nach Niedermendig, wo man in der Post einkehrte. Unter „Eifelvereinstrubel“ ging es dann im Triebwagen ab Andernach zur „Schlußwanderung“ im Luxemburger Hof.

Am Mittwoch, den 15. April war endlich schönes Wetter. 48 Wanderer freuten sich über seltene „Blütenfülle“, blauen Himmel und Sonnenschein auf dem Weg von Bornhofen über die Wilhelmshöhe nach Kamp, wo man im Anker Kaffeerast hielt. Eine weitere schöne Tour gab es am Samstag, den 2. Mai. 44 Wanderer fuhren um 3.00 Uhr mit dem Vallendarer Schiffchen nach Vallendar und gingen über den Römerturm nach Sayn. Hervorgehoben werden die Fernblicke ins Kannebäcker Land, ins Brexbachtal, ins Sayntal und in die Eifel bis zur Hohen Acht. Am Samstag, dem 16. Mai zählte man sogar 72 Wanderer, die um 2.30 Uhr mit dem Niederländer Dampfer nach Neuwied und mit der Kreisbahn nach Niederbieber fuhren. Bei bestem Frühlingswetter ging es über Altwied und Schloß Monrepos nach Segendorf, wo man nach 2 ½ stündiger Wanderung eine Kaffeerast einlegte.

Foto-7Am 20. Mai fand eine weitere Vorstands- und Festausschusssitzung im Luxemburger Hof statt. Die „11 Herren“ beschlossen, die Werbetrommel für die Jubiläumsfeier zu rühren: „Auch die Damen sollen zu allen Veranstaltungen eingeladen werden.“ Die Zahl der Wanderer muss an die Moseldampfschifffahrtsgesellschaft telefoniert werden. Am Sonntag, den 24. Mai führte der Vorsitzende auf dem Vulkanweg von Niederzissen über den Gänsehals nach Maria Laach. Man zählte 15 Herren und eine Dame. Am 5. Juni fand eine letzte Vorstands- und Festausschusssitzung im Luxemburger Hof statt und dann vom 6. bis 8. Juni 1914 die dreitägige Hauptversammlung. Leider ist der Bericht aus dem Protokollbuch herausgerissen, aber in der lokalen Presse und im Eifelvereinsblatt wird ausführlich darüber berichtet. Hier findet sich das Programm, ein Aufsatz über die „Residenzstadt Coblentz“, eine Darstellung der Vereinsgeschichte aus der Feder von Follmann, das Protokoll, ein Festgedicht und ein euphorischer Bericht über die Veranstaltung, an der „200 Personen, unter ihnen viele Coblenzer Damen“ teilnahmen. 

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Leider würde eine ausführliche Darstellung den Rahmen dieser kleinen Vereinsgeschichte sprengen: Am Samstagabend tagte der Hauptvorstand im Koblenzer Hof. Am Sonntag konnten die Stadt und die Sammlungen besichtigt werden, um 11 ½ Uhr fand die Hauptversammlung im großen Saal der städtischen Festhalle statt. Um 2 Uhr gab es das Festessen im großen Saale des Zivil-Kasinos, anschließend Gelegenheit zu einem Spaziergang, der wegen Regens ausfiel. Um 8 Uhr fand ein Konzert des Musikcorps des Pionier-Bataillons Nr. 30 im Garten des Zivil-Kasinos statt. Montags wurde eine fünfstündige Wanderung von Karden über Burg Pyrmont und „Schloß Eltz“ nach Moselkern angeboten. Eine kleinere Tour führte in 2 ½ Stunden von Hatzenport über Burg Eltz nach Moselkern. Ein Dampfer mit einer Musikkapelle an Bord brachte die Gäste nach Koblenz zurück.

Es bleibt noch von der jährlichen Zweitagewanderung zu berichten, die als „Herrenwanderung“ angekündigt war. Am Sonntag, den 28. Juli reisten 16 Teilnehmer morgens um 6.05 Uhr ab Koblenz nach Wittlich und wanderten dann über Eckfeld, Bellvedere, zum Pulvermaar, dann zum Schalkenmehrener, zum Weinfelder und zum Gemündener Maar und schließlich nach Daun. Abends um 6.15 Uhr fuhr man mit der Bahn nach Ulmen, wo im Hotel Schmitz Zimmer bestellt waren. Ein Abendspaziergang führte um das Ulmener Maar auf die Burg. Abends hielt „Pastor Fenger“, der Heimatforscher Franz Josef Fenger, einen Vortrag über das Geschlecht der Ulmener Ritter. Am Montag ging es um ½ 8 Uhr durch die Wilde Endert nach Cochem und von dort aus mit dem Moseldampfer nach Koblenz zurück. Doch die Wanderung wurde von einer Nachricht überschattet. Mit kleiner Schrift ist in dem Protokollbuch nachgetragen: „Während der Rast bei Göbels Mühle (Endertstal) kam d. Nachricht von dem Mord in Sarajewo“.

Die erste Juliwanderung führte am Samstag den 15. um 3.55 Uhr 19 Wanderer mit dem Schiff nach Rhens. Es war ein heißer Sommertag, ein drohendes Gewitter ließ einige Ängstliche kehrt machen. Nachdem es sich entladen hatte, ging es über Brey und den Jakobsberger Hof nach Rhens, wo man bis 10 Uhr Einkehr hielt.

Dann enthält das Protokollbuch einen folgenschweren Eintrag: „Mittlerweile erfolgte nun am 2. August 1914 die Mobilmachung, weshalb einstweilen die Wanderungen unterblieben.“ Die Protokolle sind fortan von anderer Hand geschrieben und fallen deutlich kürzer aus. Im Oktober gibt es einen Ausflug durch den Stadtwald und das Kondertal nach Winnigen, wo der Schriftführer des Vereins (Hürter) als Landsturmmann zur Bewachung der Bahn im Schwan einquartiert ist und einen Besuch abgestattet bekommt. Der Vorstand beschloss bereits im August 1914, dem Roten Kreuz 300 M zu spenden und im Februar 1915, dem Hauptverein 300 M „zur Unterstützung von Familien der im Feld stehenden ärmeren Eifelbewohner“ zu überweisen

Das Protokollbuch und die Zeitungsartikel geben uns interessante Einblicke in die Wanderkultur am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Gewandert wurde vor allem im Sommer, seltener im Winter. Die Touren fanden ein- bis zweimal im Monat statt, in der Regel samstags, gelegentlich auch mittwochs, aber bis auf zwei Ausnahmen niemals sonntags. Die Regel waren Halbtagstouren, die erstaunlich spät begannen und mit einer oft sehr ausführlichen Einkehr abgeschlossen wurden. Ausschlafen konnte man ja am Sonntag. Die Wanderziele waren oft dieselben, die man heute noch aufsucht. Das gut ausgebaute Eisenbahnnetz an Rhein, Mosel und Lahn sowie einige Nebenlinien machte Koblenz zum idealen Ausgangspunkt. Eine große Rolle spielten damals auch die Schifffahrten, und manche ungewöhnliche Wegführung lässt sich nur dadurch erklären, dass eine Fähre benutzt wurde. Weiter gab es historische und kunsthistorische sowie – bedingt durch die Interessen des Vorsitzenden – auch geologische Führungen und Lichtbildvorträge. Von einem großen geselligen Leben kann man, abgesehen von der Jubiläumsfeier, gelegentlichen Gesellschaftsabenden und Kellereibesichtigungen wenig feststellen.

Mit dem Eintrag zum 2. August 1914 endet eine Epoche. 1913 hatte der Eifelverein in Trier ein glanzvolles Jubiläumsfest mit einer Eifelausstellung, die die Fortschritte der letzten 25 Jahre feierte, und einer Eifelfestschrift, die einen Markstein in der Erforschung der Region darstellte, veranstaltet. Die Koblenzer Jubiläumsfeier von 1914 stand dem, wie die Berichterstatter versichern, in nichts nach. 1913 hatte der Eifelverein in 140 Ortsgruppen 19.000 Mitglieder. 1907 waren es noch 6.900 gewesen. Der Verein hatte nicht nur viel zum wirtschaftlichen Aufschwung der Eifel beigetragen, sondern auch das Wandern zu einem populären Freizeitvergnügen gemacht.

Die Welt steuert auf die Katastrophe zu

Die Welt steuert auf die Katastrophe zu

Das alles war am 2. August 1914 vorbei. In vier Jahren forderte der Erste Weltkrieg 10 Millionen Opfer. Eine ganze Generation junger Männer, die kurz zuvor noch die Schüler- und Lehrlingsherbergen des Eifelvereins bevölkert hatte, starb in der Hölle von Verdun. Die Eisenbahn entlang der Mosel wurde zur Kanonenbahn, die militärischen und menschlichen Nachschub an die Front brachte.

Foto-12„Heil Dir im Siegerkranz“ wurde bei jeder Eifelvereinsversammlung gesungen. „Gott mit uns“ stand auf den Koppeln der Uniformen und unter einer Anzeige, mit der der Hauptvorstand des Eifelvereins im Septemberheft 1914 seine Mitglieder im Felde grüßte. Mit einem Bündnis von Thron und Altar war man in den Krieg gezogen – und verlor. Tiefer hätte der Sturz der preußischen Elite, die sich stolz zu Thron und Altar bekannt hatte, nicht sein können. Zudem verloren viele Beamte, Kaufleute, Vereine und namentlich die Rentiers durch die Inflation ihr Vermögen. Auch die große Zeit des Eifelvereins war vorbei. Es dauerte bis in die siebziger und achtziger Jahre, bis der Verein sich von den Folgen zweier Kriege erholt hatte. Und auch dieser Wiederaufstieg ist eng mit Koblenz verbunden, wo 1986 der 86. Deutsche Wandertag stattfand. Neben 25.000 Gästen besuchten ihn auch Altbundespräsident Karl Carstens, der Wandern zu einem populären Volkssport gemacht hatte.

Auswahlbibliographie

Festschrift. Zum 100jährigen Jubiläum des Eifelvereins. Ortsgruppe Koblenz. Koblenz 1989. – Alfred Herrmann (Hg.), Eifel-Festschrift zur 25jährigen Jubelfeier des Eifelvereins. 1888-1913. Bonn 1913. – Die Eifel. 1888-1988. Zum 100jährigen Jubiläum des Eifelvereins. Düren 1988. – Björn Juchem: Der Eifelverein in der Kaiserzeit (1888-1918), In: Wolfgang Schmid (Hg.): Festschrift 125 Jahre Eifelverein (1888-1913). 2 Bde. Düren 2013, Bd. 1, S. 19-48. – Wolfgang Schmid: „… die Damen immer an der Spitze …“ Festkultur und Sozialstruktur des Eifelvereins 1907 in Trier, in: Eifel-Jahrbuch 2013, S. 76-85. – Namentliches Verzeichnis der Mitglieder des Eifelvereins im Januar 1909. Beilage zum Eifelvereinsblatt. – Eifelvereinsblatt 1900-1914 (Digital zugänglich unter: http://www.dilibri.de/rlb/periodical/titleinfo/178281i). – Franz-Heinz Köhler: Koblenz zur Kaiserzeit. Einwohnerentwicklung, Wirtschafts- und Spezialstruktur. Koblenz 2014.

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