Professor Dr. Wolfgang Schmid im Interview zu neuer Sagen-und Geschichtensammlung.
Der Trierische Volksfreund präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Geistkirch-Verlag in Saarbrücken die „Sagen und Geschichten aus der Westeifel“ des Volkskundlers Matthias Zender in einer neuen Auflage. Wolfgang Schmid, Professor für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Trier und Hauptkulturwart des Eifelvereins, erklärt im Volksfreund-Interview die Besonderheiten des einzigartigen Werkes.
Herr Prof. Dr. Schmid, was macht Zenders Sagensammlung so einzigartig?
Der Volkskundestudent Matthias Zender hat in den 1930er Jahren mit dem Fahrrad und zu Fuß die Kreise Bitburg, Prüm, Daun und Wittlich bereist. Er machte dort fast 400 Personen ausfindig, die Geschichte erzählen konnten, und sammelte fast 6000 Märchen, Sagen und Erzählungen. Er hoffte, in dieser abgelegenen Region besonders altes Erzählgut zu findet. Doch bald musste er feststellen, dass die Baumaßnahmen des Dritten Reichs (Westwall), der Krieg und die Umbrüche der Nachkriegszeit, aber auch neue Medien wie Radio und Zeitungen die Alltagskultur der Menschen in der Eifel grundlegend veränderten. Kurz vor ihrem Untergang konnte er so das gesamte kulturelle Gedächtnis einer Region dokumentieren, wie es sich aus Akten und Zeitungen nicht mehr rekonstruieren lässt.
Für wen hat Matthias Zender das Buch verfasst?
Zender wurde durch seine Forschungen einer der renommiertesten deutschen Volkskundler, der jahrzehntelang an der Universität Bonn lehrte und forschte. Sein Buch wandte sich zunächst an Volkskundler und Sprachwissenschaftler, bei denen die Erzählforschung heute eine etablierte Wissenschaft ist. Weiter hatte er die Volksschullehrer im Auge, die sein Buch für den Heimatkundeunterricht benutzen sollten. Und schließlich wollte er ein Hausbuch veröffentlichen, das das Erzählgut der Region in alle Familien brachte.
Wie wirken die Sagen von Spuk, Zauber und dem Teufel auf den heutigen Leser?
Vor ein paar Wochen kam „die andere Heimat“ in die Kinos, ein Film, der die Heimat-Trilogie von Edgar Reitz krönte. Viele Menschen in unserer schnellebigen Zeit suchen nach ihren Wurzeln. Und dazu gehört auch das Erzählgut, das vor Jahrzehnten noch die Großmütter vermittelten. Es sind Geschichten über die Burgen und Klöster der Region, Erinnerungen an die Zeit vor dem Krieg, die von Armut und Entbehrungen geprägt war, aber in der die Religion und die Familie noch einen hohen Stellenwert hatten. Zu dieser Welt gehörten auch Sagen und Märchen über Schätze, Hexen und Teufel, Werwölfe und Gespenster, vor denen an sich so schön gruseln konnte. Aber man braucht nur im Oktober durch die Geschäfte zu gehen, um zu sehen, wie groß die Faszination von Hexen und Zauberern auch für die heutigen Kinder ist. Man nennt es Halloween.
Die Neuausgabe der „Sagen und Geschichten aus der Westeifel“ von Matthias Zender ist im Geistkirch-Verlag in Saarbrücken erschienen. Die Sammlung kann im Buchhandel oder versandkostendfrei unter www.volksfreund-shop.de bzw. 0651/7199-007 erworben werden.