Festvortrag des Vorsitzenden der Eifelverein Ortsgruppe Untermosel, Professor Dr. Wolfgang Schmid, anlässlich der Jubiläumsveranstaltung dieser Ortsgruppe am 25. August 2013
In diesem Jahr feiert der Eifelverein, der Hauptverein, seinen 125. und der Eifelverein Untermosel seinen 25. Geburtstag. Die einen haben am 25. Mai ein großes Fest in Prüm veranstaltet, wie feiern heute ein kleines, aber feines Fest in Kobern-Gondorf. Wir sind zwar nur ein Fünftel so alt wie der Hauptverein und haben auch weniger als ein Prozent seiner Mitglieder, aber wir besitzen durchaus ein Alleinstellungsmerkmal: Anders als die ganzen großen Ortsgruppen in Trier, Köln, Bonn, Aachen oder Koblenz, die in diesem oder im nächsten Jahr 125 Jahre alt werden, können wir unser Jubiläum noch im Kreis einer ganzen Reihe unserer Gründungsmitglieder feiern!
Die Anfänge der Ortsgruppe Untermosel
Ein Jubiläum ist immer auch ein Grund, die in die Vergangenheit und in die Zukunft zu blicken. Die Anfänge der Ortsgruppe Untermosel verschwinden nicht im Nebel Geschichte, sondern lassen sich konkret fassen. Sommer 1988. Das Wandern war ein Volkssport schlechthin: 1979 wurde Karl Carstens Bundespräsident, der in den nächsten Jahren die Republik durchwandern sollte. Er war geradezu eine politische Galionsfigur der Wanderbewegung. 1979 und 1986 fand der Deutsche Wandertag in Trier bzw. Koblenz statt. 25.000 Wanderer, darunter zahlreiche Jugendliche, bevölkerten die Straßen der beiden Städte. 1988 feierte der Eifelverein in Bad Bertrich seinen 100. Geburtstag. Sein Vorsitzender Konrad Schubach machte ihn zu einer schlagkräftigen Heimatorganisation, die sich massiv für die Wirtschafts- und Strukturpolitik, die Denkmalpflege und den Naturschutz einsetzte. Es sind die Jahre von Tschernobyl, des Waldsterbens und des sauren Regens.
Wandern lag also im Sommer 1988 voll im Trend. Und so wurde auch in Kobern-Gondorf über die Gründung eines Wandervereins diskutiert. Motor war mein Vorgänger Manfred Kowalinksi. Er wollte den Verein auf eine breite Basis stellen und ihn nicht beim Heimat- und Verkehrsverein Kobern Gondorf ansiedeln, sondern als Ortsgruppe des Eifelvereins für alle 14 Gemeinden der Verbandsgemeinde Untermosel.
Nach einigen Telefonaten mit der Hauptgeschäftsstelle gab es am 7. Juli 1988 in der Kastorschänke eine Versammlung. Dank der ausgezeichneten Buchführung meines Vorgängers liegen das Protokoll und die Anwesenheitsliste vor: Verbandsgemeindebürgermeister Franz Dötsch kam, außerdem der erste Beigeordnete Helmut Reick und Ortsbürgermeister Hans-Josef Koggel. Als Mitglieder schrieben sich Fido Spitzlei, Anni und Walter Sturm, Josef Kosiel, Melanie, Ursula und Dietmar Ulz sowie Maria und Walter Schäfer ein, insgesamt 12 Personen. Zudem waren, was die Bedeutung des Ereignisses unterstreicht, für den Eifelverein Landrat Albert Nell als Bezirksgruppenvorsitzender und Hauptgeschäftsführer Edgar Manz erschienen. Auch damals gab es einen Überraschungsgast, plötzlich stieß noch Regierungspräsident Heinz Korbach dazu, der stellvertretende Hauptvorsitzende, den man eigentlich auf einem Bankett anlässlich des Jahrestages der Rittersturzkonferenz vermutet hatte. „Ich bin doch lieber hier in Ihrem Kreis und trinke an der Mosel einen Schoppen, als mich dort in Koblenz am Büffet herumzudrücken,“ soll er gesagt haben.
Erste Wanderungen
Den weiteren Verlauf der Gründungsversammlung und die Wahl des ersten Vorstandes will ich hier übergehen und nur noch erwähnen, dass am 28. August 1988 die erste Wanderung der Ortsgruppe stattfand: Um 14.00 startete man am Marktplatz in Kobern-Gondorf und ging über das Belltal nach Wolken und dann zur Matthiaskapelle. 14 Wanderer legten in drei Stunden 10 km zurück. Ein Foto der damals noch recht jugendlichen Wanderer konnten Sie letzte Woche in der Zeitung sehen. Die Wanderung durch das romantische Belltal zu der geheimnisvollen Matthiaskapelle mit ihrem atemberaubenden Ausblick in das Moseltal ist seitdem einer der Klassiker in unserem Wanderprogramm, den wir selbstverständlich auch heute noch im Angebot haben. Bereits für die erste Wanderung wurde ein hektographierter Wanderführer herausgegeben, und ab der zweiten Tour ist die erste der penibel geführten Anwesenheitslisten überliefert, aus der zu erstehen ist, dass die Gäste Renate und Eduard Jung noch während der Wanderung dem Verein beigetreten sind. Diese zweite Wanderung führte die Ortsgruppe am 25. September zum Laacher See, ein weiterer Klassiker in unserem Angebot.
Bereits am 9. Juli konnte der frischgebackene Vorsitzende 26 Mitglieder beim Hauptverein in Düren anmelden: Neben den bereits genannten finden wir Ria Bauer Monika und Alfons Brachtendorf, Renate und Kurt Gehendges, Ursula und Franz König, Willi Lang, Erika und Gernold Schwingeler, Hans Bernd Scholten, Willi Schunk sowie Margret und Franz Schwab. Man könnte die Listen in unserer Mitgliederzeitschrift noch weiter vorlesen, aber ein deutscher Professor darf alles, nur nicht länger als 45 Minuten reden.
Kontinuität in der Vereinsführung
Ich will nur eine Tatsache festhalten, auf die ich stolz bin: Wir haben in unserer Ortsgruppe eine ganz erstaunliche Kontinuität. In 25 Jahren hatten wir nur zwei Vorsitzende. Manfred Kowalinkski stand 21 Jahre an der Spitze und kommt als Ehrenvorsitzender jetzt auf 25 Jahre. Ebenso lange ist Helmut Reick dabei, der immer zur Stelle war, wenn wir einen Wanderführer gebraucht haben. Er feiert heute seinen 79. Geburtstag und wir hätten alles dafür gegeben, wenn er anwesend sein könnte. Gernot Schwingeler ist seit 24 Jahren der gewissenhafte Verwahrer unseres Vereinsschatzes. Ria Bauer und Renate Gehendges sind heute noch im Vorstand tätig. Ellen Mölich war Jahrzehnte lang die Mutter der Kompanie. All das ist ein klarer Beweis dafür, dass sich die Mitglieder in unserem Verein wohl fühlen und dass wir nicht nur gewandert sind, sondern auch schöne Stunden miteinander verbracht haben, bei denen dauerhafte Freundschaften entstanden.
Das Wanderprogramm heute
Was soll man in wenigen Sätzen über 25 Wanderjahre sagen? Wir haben in der Regel alle zwei Wochen eine Sonntagswanderung angeboten und vor allem im Sommer eine ganze Reihe der etwas kürzeren Mittwochstouren. Der Höherpunkt ist dabei die Mittwochswanderung, die immer an einem Dienstag zum Winninger Weinfest stattfindet. Bitte vormerken. Dann haben wir Grillfeste, Fackelwanderungen, Kulturzugfahrten, Theaterbesuche und Weihnachtsfeiern organisiert, wobei die Beteiligten nie das Grillfest im Februar 2010 im Aspelbachtal vergessen werden, wo uns zwar nicht der Himmel, aber beinahe der Wald auf den Kopf gefallen wäre. Die Höhepunkte in unserm Vereinsleben waren jedoch die Ferienwanderungen. Abwechselnd gibt es jedes Jahr eine einwöchige oder eine dreitägige Ferienwanderung, die uns in die Echternacher Schweiz, die Fränkische Schweiz, ins Riesengebirge, an die Röhn, in den Odenwald, in den Bayerischen Wald, in den Bregenzer Wald, in den Westerwald, in den Pfälzer Wald, nach Mallorca und natürlich immer wieder in die Eifel geführt haben. Regelmäßig nahmen unsere Wanderer an den Bezirkswandertagen teil, 1998 und 2006 waren wir selbst Gastgeber. Wenn ich das alles zusammenrechne, dann komme ich für die ersten 25 Jahre auf genau 1000 Wanderungen, bei denen 20.275 Personen gezählt wurden, die insgesamt 11.217 km zurückgelegt haben. Dies ist ein Viertel des Umfangs der Erde, die wir bei unserer 100-Jahrfeier 2088 einmal umwandert haben werden.
Herausforderungen, denen der Eifelverein sich stellen muss
Bis dahin ist es aber noch etwas Zeit. Ich würde gerne zum Schluss noch ein paar kritische Worten sagen: Wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Die Zeiten ändern sich und der Eifelverein muss darauf reagieren. 1988 war Wandern im Verein ein populärer Volkssport. Nicht nur an der Untermosel wurde in diesen Jahren eine Ortsgruppe gegründet, sondern auch in vielen anderen Orten, z. B. 1987 in Polch. In den letzten Jahren weht den Vereinen ein kalter Wind entgegen: Unter dem wandernden Bundespräsidenten waren zahlreiche Beitritte zu verzeichnen, doch diese Wanderergeneration kommt langsam in die Jahre, und der Eifelverein erscheint jüngeren Leuten weniger attraktiv, so dass in vielen Orten, glücklicherweise nicht in allen, die Mitliederzahlen sinken. Das betrifft nicht nur den Eifelverein, sondern fast alle Vereine, aber auch die Parteien, die Gewerkschaften und die Kirchen. Für die nächsten Jahre sehe ich weitere Probleme durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Die Regelungen zum Vorruhestand- und zur Altersteilzeit, die dem Eifelverein viele Jungsenioren beschert haben, werden künftig der Vergangenheit angehören.
Aber nicht nur das Umfeld hat sich verändert, sondern auch die Vereine selbst: Nicht nur der Wunsch, sich an einen Verein zu binden, hat abgenommen, sondern auch die Bereitschaft, als Wanderführer oder Vorstandsmitglied Arbeit und Verantwortung auf sich zu nehmen. Ein Wust von Vorschriften (Dauerthema Haftpflicht) macht den ehrenamtlich Tätigen ihre Arbeit ebenso schwer wie die hohe Erwartungshaltung, die ausgeprägte Kritikbereitschaft und der leichtfertige Umgang einiger Mitglieder mit Anmeldelisten.
Aber auch in anderen Bereichen gibt es Veränderungen: In den ersten 100 Jahren seines Bestehens hatte der Eifelverein geradezu ein Monopol für den Ausbau und die Markierung des Wegenetzes und für die Herstellung von Wanderkarten und Wanderführern. Hier hat sich vieles verändert: Das Wandern ist in den letzten Jahren zunehmend kommerzialisiert und professionalisiert worden. Das Leitbild der Outdoor-Industrie sind junge und finanzkräftige Leute, die sich mal schnell eine Wanderkarte aus dem Netz downloaden und per Facebook spontan zu einer Tour auf einer Traumschleife verabreden. Die Planung, aber auch die Unterhaltung der Wanderwege, die wir jahrzehntelang ehrenamtlich betrieben haben, liegt heute in den Händen der Touristiker und Agenturen, die damit eine Menge Geld verdienen. Am Moselsteig ist der Eifelverein überhaupt nicht mehr beteiligt, und wir können allenfalls mit Kopfschütteln feststellen, dass im Moment Unsummen für eine Werbekampagne ausgegeben werden, die für einen nicht termingerecht fertiggestellten Weg die Reklametrommel rührt.
Ausblick
Also ein Grund zur Resignation? Ich glaube das nicht. Wir Wandervereine besitzen drei Alleinstellungsmarkmale, die Individualreisende nicht kennen: Erstens bieten wir Wandern plus, Wandern mit Bildungs- und Informationsangeboten. Zweitens offerieren wir Wandern in netter Gesellschaft mit Gleichgesinnten. Und zum dritten verfügen wir über qualifizierte und engagierte Wanderführer, die eine Sonntagstour bis zur Einkehr liebevoll vorbereiten und zum Erlebnis werden lassen. Nur müssen wir dieses unschlagbare Angebot auch an den Mann bzw. an die Frau bringen. Und daran hapert es. Wir müssen die passiven Mitglieder mobilisieren und wir müssen den Nachbarn und Freunden, den Lesern der Zeitung und den Besuchern unserer homepage vermitteln, was für ein tolles Angebot sie beim Eifelverein erwartet. Der Hauptverein, die Bezirks- und die Ortsgruppen müssen sich den neuen Herausforderungen stellen: Der Hauptverein darf nicht immer nur sparen bzw. die Beiträge anheben, sondern muss sich kreativ und mit neuen Ideen z. B. um Drittmittel bemühen. Die Homepage des Vereins ist mittlerweile antiquiert, da muss dringend etwas geschehen.
Die Routenplanung und die Kommunikation wird sich künftig – ob wir es wollen oder nicht – immer mehr ins Internet verlagern, hier müssen wir unser Zurückhaltung aufgeben mehr Präsenz zeigen. Und bei den Beziehungen zu den Touristikern müssen wir uns fragen, ob wir immer ein einfacher Gesprächspartner waren und eingestehen, dass nicht alles, was hier an neuen Ideen entwickelt wird, schlecht ist, weil es nicht von uns stammt.
Ich bin jedenfalls frohen Mutes. Es kommt eine Generation von alleinstehenden älteren Menschen auf uns zu, die in ihrem Leben aufgrund der immer mehr geforderten Flexibilität der Arbeitnehmer mehrfach umgezogen ist und sich daran gewöhnt hat, mit Handy und Laptop mit Kindern, Enkeln und Freunden zu kommunizieren. Aber Facebook und mobile Pflegedienste ersetzen keine sozialen Kontakte. Und gerade diese Generation wird die Wandervereine brauchen, wo sie Gemeinschaften finden, an die frische Luft und zu den schönsten Ecken unserer Region geführt werden, nämlich zur Matthiaskapelle und zum Laacher See.
Wolfgang Schmid